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  • RA Michael Recklies

BGH: Wohnungseigentümergemeinschaft darf Grundstückskauf als Verwaltungsmaßnahme und abweichende Ver


Mit seiner Entscheidung vom 18.03.2016 – V ZR 75/15 – hat der 5. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit eines Mehrheitsbeschlusses über den Erwerb eines Grundstückes durch die Wohnungseigentümergemeinschaft abgegrenzt und des Weiteren Ausführungen über die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses über die Kostenverteilung des Kaufpreises abweichend vom gesetzlichen Verteilungsmaßstab des § 16 Abs. 2 WEG festgestellt.

Zu entscheiden war folgender Fall:

Die aufteilende ursprüngliche Eigentümerin einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatte für 31 Wohnungen Stellplätze in gleicher Anzahl geschaffen. Hiervon befanden sich aber lediglich sechs Stellplätze auf dem Grundstück der Wohnungseigentumsanlage. Die weiteren 25 Stellplätze wurden in der Teilungserklärung bei der Aufteilung auf dem Nachbargrundstück, das ebenfalls der Aufteilerin gehörte, ausgewiesen. Dabei war beabsichtigt, den Wohnungseigentümern bzgl. der 25 Stellplätze auf dem Nachbargrundstück Grunddienstbarkeiten zu bestellen. Diese Regelung wurde aber wenig später in der Teilungserklärung aufgehoben. Stattdessen begründete die Aufteilerin zur Abgeltung der Stellplatzangabe an dem Nachbargrundstück eine öffentlich-rechtliche Baulast, wonach die 25 Stellplätze der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung stehen sollten. In dieser Form wurden die Stellplätze dann durch die Eigentümer der 25 Wohnungen genutzt.

Circa 30 Jahre nach der Begründung der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde das Nachbargrundstück veräußert. Die neue Eigentümerin forderte von der Wohnungseigentümergemeinschaft alternativ für die Vergangenheit in unverjährter Zeit eine Nutzungsentschädigung, bot ihr aber auch den Kauf der für die Stellplätze genutzten Teilfläche zu einem Preis von € 75.000,00 an.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft fasste im Jahr 2013 dann mehrheitlich einen Beschluss, die als Stellplatz auf dem Nachbargrundstück genutzte Teilfläche zum Betrag von € 75.000,00 zu erwerben, wobei die Kaufpreisfinanzierung durch Erhebung einer Sonderumlage erfolgen sollte, und 15 % des Kaufpreises von allen Eigentümern nach Einheiten zu tragen, und die weiteren 85 % des Kaufpreises von den Eigentümern der Wohnungen Nr. 1-25 als Nutzer der Stellplätze zu tragen waren.

Gegen diesen Beschluss erhob ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft Klage mit dem Ziel, die Beschlüsse für ungültig bzw. nichtig erklären zu lassen.

Nachdem diese Klage in den beiden Tatsacheninstanzen abgewiesen worden war, verfolgte die Klägerin ihr Begehren in der Revision beim Bundesgerichtshof weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer für den gefassten Beschluss uneingeschränkt als gegeben erachtet. Weder war der Beschluss nichtig, weil eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft gegeben sei noch bestehe der Mangel der Beschlusskompetenz etwa deshalb, weil für die Begründung einer schuldrechtlichen Pflicht zur Mitwirkung von Wohnungseigentümern an einer solchen sachenrechtlichen Änderung keine Pflicht besteht.

Vielmehr lässt der angefochtene Beschluss die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft deshalb unberührt, weil an der zu erwerbenden Teilfläche Verbandseigentum begründet werden soll, und nicht etwa Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer. Damit solle das Grundstück in das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft als eigenständigen, teilrechtsfähigen Verband übergehen. Damit komme es nicht zu einer Begründung von Gemeinschaftseigentum, und daher auch nicht zu einer Änderung der sachenrechtlichen Grundlage der Gemeinschaft.

In Übereinstimmung mit den Gerichten der Vorinstanz geht der Bundesgerichtshof vielmehr davon aus, dass der Erwerb eines Grundstückes durch den Verband „im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) erfolgen kann. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung steht den Wohnungseigentümern eine entsprechende Beschlusskompetenz zu. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zum Erwerb eines Grundstückes durch die Wohnungseigentümergemeinschaft folgt aus § 20 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 und 3 WEG.

Danach obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern mit der Maßgabe, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, soweit nicht gesetzlich oder durch Vereinbarung etwas anderes bestimmt ist, den Wohnungseigentümern zusteht, wobei diese – soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch eine Vereinbarung geregelt ist – durch Stimmenmehrheit beschließen können.

Dabei ist der Begriff der Verwaltung weit zu verstehen. Gegenstand der gemeinschaftlichen Verwaltung ist auch das Verwaltungsvermögen, das gem. § 10 Abs. 7 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehört.

Das Verwaltungsvermögen besteht nach § 10 Abs. 7 Satz 2 WEG aus den im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten. Die Vorschrift sieht die Möglichkeit des Erwerbs von Sachen durch die Gemeinschaft ausdrücklich vor und setzt damit eine entsprechende Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer voraus. Dabei wird eine Differenzierung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen nicht vorgenommen.

Die Beschlussfassung durch Mehrheitsbeschluss wird auch nicht etwa durch die beschränkte Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft begrenzt, weil ein Fall vorliegt, in dessen Rahmen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen. In diesem Rahmen – so der BGH – kann die Wohnungseigentümergemeinschaft auch Immobiliareigentum erwerben. Im Hinblick auf den weiteren Verwaltungsbegriff und das Erfordernis des Schutzes des Rechtsverkehrs wird es an der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nur dann fehlen, wenn es sich bei dem Beschlussthema offenkundig nicht um eine Verwaltungsmaßnahme handelt.

Der streitgegenständliche Beschluss war eindeutig eine Verwaltungsmaßnahme.

Auch die fehlende notarielle Beurkundung des Beschlusses führt nicht etwa zu dessen Nichtigkeit.

Die Vorschrift des § 311 b Abs. 1 BGB findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über den Erwerb der Teilfläche des Nachbargrundstückes zielt als Ergebnis eines internen Willensbildungsprozesses lediglich auf das Eingehen einer solchen Verpflichtung ab, stellt aber noch nicht die Abgabe eines verbindlichen Angebots auf Abschluss eines solchen Vertrages dar. Insbesondere stand es den Wohnungseigentümern bis zum Vorliegen einer bindenden vertraglichen Verpflichtung über den Erwerb eines Grundstückes insbesondere frei, einen inhaltlich abweichenden Zweitbeschluss zu fassen.

Ebenso wenig führt der Umstand zur Nichtigkeit, dass die im Beschluss enthaltene Ermächtigung des Verwalters, für die Wohnungseigentümergemeinschaft sämtliche erforderliche Erklärungen im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung des Kaufvertrages abzugeben, etwa beurkundungsbedürftig gewesen sei.

Es folgt nach Auffassung des BGH daraus, dass nach § 167 Abs. 2 BGB die Vollmacht nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt, auf das sie sich bezieht, bedarf. Da die Vollmacht im angefochtenen Beschluss auch nicht unwiderruflich erteilt worden sei, sei auch ein Ausnahmefall, wie ihn die Rechtsprechung für eine unwiderrufliche Vollmacht zur Veräußerung oder zum Erwerb von Grundstücken herausgebildet hat, nicht vorliegend.

Schließlich entspricht nach Auffassung des Senats der Erwerb der Teilfläche des Nachbargrundstückes auch ordnungsgemäßer Verwaltung.

Denn der Erwerb eines Grundstückes entspreche in jedem Fall ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn das Grundstück für die Wohnungseigentumsanlage von Beginn an eine dienende und auf Dauer angelegte Funktion hatte und diese Funktion mit dem Erwerb aufrechterhalten werden soll.

So lag es im entschiedenen Fall eindeutig. Die benachbarte Fläche diente seit der Errichtung der Anlage als Parkplatz und über die Baulast zugleich der Erfüllung des nach öffentlichem Recht erforderlichen Stellplatznachweises.

Nach der Entscheidung des Senats vom 07.10.1994 – V ZR 4/94 – gewährt eine Baulast dem dadurch Begünstigten weder einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden. Sie bindet den Eigentümer lediglich soweit, als dieser auf der betroffenen Teilfläche Baumaßnahmen zu unterlassen hat, die die Nutzung für Stellplätze beeinträchtigen.

Der beschlossene Kauf der Teilfläche des Nachbargrundstückes entsprach somit eindeutig ordnungsgemäßer Verwaltung, da anderenfalls die 25 Stellplätze hinsichtlich ihrer Nutzungsfähigkeit verloren gegangen wären oder hierfür eine monatliche Miete von € 750,00 auf unbestimmte Zeit hätte gezahlt werden müssen abgesehen davon, dass der Grundstückseigentümer des Nachbargrundstückes bei einer Anmietung der Fläche ja ein Kündigungsrecht spätestens nach 30 Jahren (§ 544 BGB) gehabt hätte.

Schließlich sei die Wohnungseigentümerversammlung auch berechtigt gewesen, die Kosten des Erwerbs des Grundstückes nach dem Maß der Vorteile zu verteilen, die bei den Wohnungseigentümern eintreten. Dies lässt die Vorschrift des § 21 Abs. 7 WEG zu. Diese Vorschrift ermöglicht es, einen Umlageschlüssel für eine konkrete Zahlung wegen eines besonderen Verwaltungsaufwandes zu beschließen. Diese Regelung wird auch insoweit nicht durch § 16 Abs. 3 WEG verdrängt. Die Regelungen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern stehen nebeneinander und weisen Unterschiede auf. So ermöglicht § 21 Abs. 7 WEG Kostenregelungen nicht nur abstrakt-generell, sondern auch für den Einzelfall. § 16 Abs. 3 WEG lässt demgegenüber nur Änderungen des Kostenverteilungsschlüssels für die Zukunft zu.

Der gewählte Maßstab der Kostenverteilung sei das Verursacherprinzip gewesen, nachdem diejenigen Wohnungseigentümer mit den Kosten des besonderen Verwaltungsaufwandes belastet werden, die die Ursache für sein Entstehen gesetzt haben.

Dieser Grundgedanke geht in die gleiche Richtung, wie die Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG, wonach bei Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ein abweichender Verteilungsmaßstab am Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs ausgerichtet werden kann.

Dieser Maßstab kann auch im Rahmen des § 21 Abs. 7 WEG herangezogen werden.

Danach entsprach auch die beschlossene Kostenverteilung ordnungsgemäßer Verwaltung.


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