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  • RA Michael Recklies

BGH: Ohne Räum-und Streupflichtsatzung keine Haftung des Vermieters bei Glatteisunfall auf öffentl


Indexmiete Schriftform

Mit Urteil vom 21.02.2018 – VIII ZR 255/16 – hat der Bundesgerichtshof die Haftung des Vermieters für die Folgen eines Glatteisunfalls, der sich im Bereich des öffentlichen Gehwegs vor dem eigentlichen Mietgrundstück ereignet hat, für den Fall abgelehnt, dass eine Gemeindesatz über die Räum- und Streupflicht von Straßenanliegern nicht besteht, abgelehnt. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Die beklagte Vermieterin wurde von dem Lebensgefährtin der Mieterin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Grund der Klage war ein Sturz des Klägers beim Verlassen des Mietshauses auf dem Kopfsteinpflaster des öffentlichen Gehwegs vor dem Grundstückseingang, also außerhalb des eigentlichen Mietgrundstückes. Durch den Sturz zog sich der Kläger einen Knöchelbruch zu. Den Räum- und Streudienst für den Gehweg führte die Stadtverwaltung aufgrund einer entsprechenden Verordnung über die Reinigung und Sicherung der öffentlichen Wege, Straßen und Plätze durch. Die Stadt hatte den Gehweg vor dem Mietgrundstück mehrfach geräumt und gestreut, allerdings nicht auf der ganzen Breite und auch nicht bis zur Schwelle des unmittelbar an den Gehweg angrenzenden Anwesens der beklagten Vermieterin. Die Vermieterin Ihrerseits hatte keine Schneeräumarbeiten veranlasst oder vorgenommen, weil sie hierzu keine Verpflichtung sah. Der verunglückte Lebensgefährte der Mieterin verklagte die Vermieterin auf Schadensersatz und Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Der Kläger scheiterte mit seiner Klage in der 1. und 2. Instanz. Die Berufungsinstanz ließ jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitigkeit die Revision beim Bundesgerichthof zu. Die Revision des Klägers hatte jedoch ebenfalls keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof schloss sich der Auffassung des Berufungsgerichts an und stellte fest, dass dem verletzten Kläger die geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche weder aufgrund einer Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten noch wegen einer Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten zusteht. Zwar sei der Kläger als Lebensgefährte der Mieterin in den Schutzbereich des zwischen der Beklagten und der eigentlichen Mieterin geschlossenen Mietvertrags einbezogen, so dass grundsätzlich neben deliktischen Ansprüchen wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten auch entsprechende vertragliche Schadensersatzansprüche in Betracht kommen würden. Die Vermieterin sei zwar aus dem Mietvertrag heraus verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zur Mietsache zu gewähren. Diese dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht erstrecke sich auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile wie Zugänge und Treppen, und insbesondere darauf, dass sich diese Räume und Flächen in einem verkehrssicheren Zustand befinden. Deshalb gehöre es grundsätzlich zur Verpflichtung des Vermieters, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum in den Wintermonaten zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht treffe den Eigentümer eines Grundstücks im Übrigen auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung eines Verkehrs etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten. Im zu entscheidenden Fall sei der Kläger aber nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter einer Wohnung gegenüber seinen Mietern obliegende Verkehrssicherungspflicht beschränke sich grundsätzlich auf den Bereich des Grundstücks des Vermieters. Gleiches gelte für die allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde nicht auf den Eigentümer (Anlieger) übertragen worden ist. Aus der Verordnung der Gemeinde ergebe sich aber eindeutig, dass die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen allein bei der Stadtverwaltung und nicht bei der insoweit vom Winterdienst befreiten Vermieterin lag. Mit der Argumentation dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, auch für den von der Gemeinde nicht geräumten schmalen Streifen des Gehwegs im unmittelbaren Eingangsbereich beim Hoftor zum Grundstück der Beklagten zu räumen und zu streuen, weil die Beklagte jedenfalls ihren Mietern und den in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogenen Personen den sicheren Zugang zu und von der vermieteten Wohnung gewährleisten müsse, drang der Kläger nicht durch. Der Bundesgerichtshof stellte gegenüber diesem Argument fest, dass der Vermieter bezüglich des öffentlichen Gehwegs weder eine vertragliche Schutzpflicht übernommen noch eine – eine deliktische Verkehrssicherungspflicht auslösende – Gefahrenquelle geschaffen habe. Zuständig für die Sicherheit des öffentlichen Gehwegs sei allein die Gemeinde, die diese Pflicht im vorliegenden Fall nicht an den Anlieger und Vermieter delegiert habe. Vor diesem Hintergrund könne eine Ausweitung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters über den Bereich der Mietsache hinaus allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher – hier nicht gegebener – Umstände in Betracht kommen. Außerdem verkenne die Revision, dass der Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht uneingeschränkt danach auszurichten hat, jedwede Gefahr des Ausgleitens für Fußgänger unter allen Umstanden völlig auszuschließen. Denn die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, enthebe den Fußgänger nicht der eigenen Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen. Es sei von der Rechtsprechung für Gehwege seit jeher als ausreichend erachtet worden, einen Streifen von 1,00 m bis 1,20 m zu räumen, sofern nicht besondere Gefahrenstellen oder stark frequentierte Stellen wie Haltestellen und Bahnhöfe betroffen sind. Insbesondere sei es regelmäßig nicht erforderlich, den Gehweg bis zum Gehwegrand und damit bis zur Grenze des sich daran anschließenden Grundstückes zu räumen. Hieraus ergebe sich, dass ein Fußgänger im Einzelfall auch eine kurze Distanz auf einem nicht geräumten Teil des Gehwegs zurücklegen muss. Lasse der Fußgänger hierbei nicht die von ihm zu verlangende Sorgfalt walten, verwirkliche sich insoweit sein allgemeines Lebensrisiko. Das Berufungsgericht habe somit die Klage ohne Rechtsfehler als unbegründet abgewiesen. Zusammenfassung: Unter der Voraussetzung, dass die Räum- und Streupflicht für die vor dem Grundstück liegenden öffentlichen Wege nicht durch Satzung dem jeweiligen Anlieger (Grundstückseigentümer) übertragen ist, ist der Vermieter nicht verpflichtet, die an sein Grundstück angrenzenden öffentlichen Verkehrswege bei Schneefall oder Glatteis zu räumen und zu streuen. Eine solche Rechtspflicht ergibt sich weder aus mietvertraglichen noch aus allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften.


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